BARBIE: Später Emanzipationsversuch der Sexismus-Ikone

BARBIE: Später Emanzipationsversuch der Sexismus-Ikone

Barbie ist nicht nur wegen ihrer hervorstechenden Kurven weltweit das Feindbild feministischer Bewegungen, sondern vor allem auch wegen ihrer Limitierung weiblicher Rollen auf traditionelle Klischees. Nun aber soll eine neue Werbekampagne den Amerikanerinnen zeigen, was sonst noch im Kopf von Barbie steckt: eine unbegrenzte Fantasie über das, was aus Mädchen alles werden kann. Diese Einsicht könnte allerdings zu spät kommen.

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Das kommerzielle Problem von Barbie ist ihre fehlende gesellschaftliche Akzeptanz bei Müttern, die in der Regel gestandene Frauen mit bewegten, oft auch schmerzhaften Emanzipationsbiographien sind. Die sind gezeichnet vom Kampf um Selbstbestimmung im Spannungsfeld zwischen Job, Familie und eigenen Interessen. Die individuellen Festlegungen in diesem anstrengenden Dreieck finden unter Abwägung aller möglichen Optionen statt, und die Breite aller Möglichkeiten erhöht die Chance, richtige, also den persönlichen Bedürfnissen und Stärken entsprechende Entscheidungen zu treffen.

Genau das wünschen die Mütter auch ihren Töchtern, weil sie wissen, dass diese Art der Selbstbestimmung unter möglichst vielen Optionen der einzige Weg zu echtem Lebensglück und freier Entfaltung individueller Stärken ist. Darin stimmen sie vollständig mit der Positiven Psychologie überein: sie definiert echtes Wohlbefinden als natürliches Ergebnis eines Lebensstils, der aktiv die eigenen Potenziale entwickelt; es geht um die autonome Selbstentwicklung der eigenen Stärken und Persönlichkeit, um aus sich etwas ganz Besonderes zu machen und dadurch eine unwiderstehliche Attraktivität zu entwickeln, die unabhängig von äußeren Merkmalen ist[1].

Deshalb ist Barbie unter Müttern der Kulturfeind Nr. 1: sie steht für eine limitierende Geschlechterrolle, die sich über ein sexistisches Schönheitsideal und äußere Perfektion in traditionellen Frauenbildern definiert. Ihren vehementen Protest dagegen organisieren diese Mütter u.a. auf Plattformen wie Pinkstinks. Zuhause müssen sie aber oft erleben, dass ihre kleinen Töchter in der rosaroten Barbie-Welt – allen Erziehungsidealen zum Trotz – ihr größtes Spielvergnügen finden.

Diesen Konflikt will Barbie-Hersteller Mattel in den USA nun aufheben: in einem neuen Commercial fordert er alle Mädchen auf, sich ihre vielfältigen Möglichkeiten im späteren Berufsleben auszumalen – sei es als Soccer Coach, College Professor, Tierarzt, Businesswoman. Das besänftigende Versprechen an die Mütter: „Wenn ein Mädchen mit Barbie spielt, stellt es sich vor, was es alles werden kann.“ Damit das auch glaubwürdig ist, plant Mattel den Lauch von 78 (!) neuen, sehr unterschiedlichen Barbie-Puppen mit verschiedenen Hauttönen, Frisuren und z.T. mit flachen Füßen, auf die keine High Heels passen. Das, so Barbie-Designerin Ruth Handler, unterstreiche die Tatsache, dass Frauen Wahlfreiheiten haben.

Grundsätzlich ist es immer ein strategisch kluger Schachzug, wenn Marken versuchen, in den Spannungsfeldern und Konflikten ihrer Zielgruppe zu vermitteln, indem sie psychologisch wirksame Entlastungen anbieten. Die aber stehen oder fallen mit ihrer Glaubwürdigkeit, und es darf zu Recht bezweifelt werden, ob der späte Emanzipationsversuch von Barbie nach 56 Jahren als Sexismus-Ikone glaubwürdig und damit wirksam ist.

Immerhin: der Spot ist unterhaltsam und sympathisch. Und ohne den Absender Barbie könnte er eine fantastische Botschaft an alle jungen Mädchen vermitteln: „Holt das Beste aus Euch raus und seid in Bezug auf Eure beruflichen Zukunftspläne nicht bescheiden!“ Denn das ist der Weg zu einem glücklichen Leben.

 

 

[1] Alan S. Waterman (Editor), The Best Within us – Positive Psychology Perspectives on Eudaimonia, published by American Psychological Association, 2013, page 135

 

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