Wie politische Krisen das Alter verderben – oder Widerstand wecken
Angesichts weltweiter Demokratie- und Wirtschaftskrisen empfinden viele ältere Mitbürger Mitleid mit der jungen Generation, die sich vermutlich auf nachhaltige Einbußen ihres Lebensstandards einstellen muss. In Wirklichkeit treffen diese Krisen gerade auch die älteren Menschen, weil sie die Stimmung verderben und ihren Lebensabend verdunkeln – ohne Aussicht auf Besserung zu Lebzeiten. Gegen diese fatalistische Ohnmacht hilft nur eines: aktiver Widerstand.
Einer der größten Vorteile von Demokratie im Vergleich zu autoritären Staatsformen ist ihr positiver Einfluss auf das Wohlbefinden („Happiness“) der Menschen. Die Teilhabe an politischen Entscheidungen und Weichenstellungen, fundamentale Rechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie gleiches Recht für alle befeuern die Einwirkungsmöglichkeiten auf das eigene Leben und damit auf das persönliche Wohlbefinden. Demokratie ermächtigt den Einzelnen, und folgerichtig zeigen zahlreiche internationale Studien[1], dass das Glück der Bürger positiv mit funktionierenden Demokratien korreliert.
Dennoch weisen die Forscher auf die Stör- und Krisenanfälligkeit von Demokratien hin:
„Democracy is more fragile than most of us like to think. Not fragile like a glass. Fragile like a bomb. Not caring for it means that we perish.“ Ray Block[2]
Wie fragil die Lage ist, zeigen aktuell die Angriffe der Trump-Administration auf die Demokratie in den USA. Das Erschreckende daran ist nicht nur das hemmungslose Ausmaß dieser Angriffe, sondern vor allem auch die lähmende Schockstarre der Demokraten und weiter Teile der politischen und juristischen Elite, die aus Angst vor Repressalien der Regierung schweigen.
An der Spitze derer, die ihren Kampfgeist nicht verloren haben, steht ausgerechnet der älteste demokratische Senator: Bernie Sanders (84!) – einer der engagiertesten Vorkämpfer für die Rechte der arbeitenden Bevölkerung mit großer Faszination auch für Jüngere. Ein Paradebeispiel dafür, dass Alter kein Hinderungsgrund für mitreißenden Kampfgeist ist – solange die mentalen und körperlichen Kräfte groß genug sind.
Was bedeutet das für die ältere Generation jenseits der politischen Bühne? Dasselbe wie für alle Bürger: Widerstand im ur-eigenen Lebensbereich, wann immer Ungerechtigkeiten, Missstände oder Einschränkungen der Meinungsfreiheit drohen. Wir müssen die Stimme erheben gegen Meinungsdiktate und Gesinnungsgebote im Namen der politischen Korrektheit, am besten in direkter Auseinandersetzung mit Menschen außerhalb der eigenen Meinungsblase.
Ein Paradebeispiel aus dem persönlichen Umfeld der Autorin: an der Kaffeebude („Rösterei“) auf dem Apostelnmarkt in Köln treffen sich jeden Dienstag und Freitag ältere, nicht mehr berufstätige Menschen und diskutieren höchst kontrovers aktuelle Geschehnisse. Das trainiert eine konstruktive, offene Diskussionskultur und das Eintreten für die eigene Meinung auch gegen Widerstand.
Dieses Training zahlt sich aus, wenn es darum geht, sich deutlich gegen Missstände im persönlichen Umfeld zu positionieren und aktiv einzugreifen. Es stärkt das Gefühl der Einwirksamkeit auf das eigene Schicksal und damit das Wohlbefinden. Und es ist ein Gegenentwurf zu den zahlreichen Social Media Foren, die bestimmte Gesinnungen einseitig potenzieren und andere Meinungen aggressiv verteufeln.
[1] Greater Good: „Why is Democracy Worth Defending?“, August 2024 (www.greatergood.berkeley.edu/article/item/why_is_democracy_worth_defending)
[2] Senior Analyst for the African American Reserach Collaborative




